BISPHENOL A: MACHT ESSEN AUS DER DOSE KRANK?

Dosen haben mitunter ein Schadstoffproblem: Laut Stiftung Warentest sind Konserven oft mit Bisphenol A belastet. Die Chemikalie gilt als »besonders besorgniserregend«. Was Sie über die versteckte Gefahr wissen müssen.

Lebensmittel in Konservendosen sind praktisch und halten sich lange. Ob sie gesund sind, ist eine andere Frage – aber bergen sie gar ein Risiko für die Gesundheit? Eine neue Untersuchung der Stiftung Warentest legt das nahe: Demnach haben viele Büchsen ein Chemikalienproblem. Dabei geht es um den Schadstoff Bisphenol A (BPA), der von der Beschichtung der Dosen auf ihren Inhalt übergehen kann – und als »besonders besorgniserregend« gilt.

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Die Verbraucherorganisation hat 58 Lebensmittel aus Konserven, darunter Kokosmilch, Kondensmilch, Erbsen und Möhren, Tomaten, Eintöpfe, Suppen und Thunfisch, genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis wirkt auf den ersten Blick alarmierend: 51 der untersuchten Produkte weisen BPA auf.

Was ist Bisphenol A?

Bisphenol A wird für die Herstellung des Kunststoffs Polycarbonat (PC) genutzt, auch Epoxid-Kunst­harze werden damit hergestellt. Laut Stiftung Warentest können Geschirr, Trinkflaschen und Küchenzubehör aus dem Material sein. Auch in Smartphones und Aufbewahrungsboxen finde sich der Stoff.

Im Körper kann BPA wie ein Hormon wirken. Unfruchtbarkeit, Diabetes, Brustkrebs, Fettleibigkeit und Schädigungen des zentralen Nervensystems sind mögliche Auswirkungen, die der Chemikalie zugeschrieben werden. Die EU führt Bisphenol A auf einer im April 2022 veröffentlichten Liste der bedenklichsten Chemikalien.

Auch bei Leitungswasser sei etwa Vorsicht geboten: Bei warmem Wasser aus Trinkwasserleitungen, die mit Epoxidharz saniert wurden, seien kritische BPA-Konzentrationen gemessen worden. Kaltes Wasser sei aber unbelastet gewesen.

Früher sei es üblich gewesen, Epoxidharze in den Innenbeschichtungen von Dosen zu verwenden. Heute seien die Dosen aber weiterhin mit BPA-haltigen Lacken beschichtet. So soll Stiftung Warentest zufolge verhindert werden, dass das Blech rostet und sich Metalle lösen. BPA-Spuren könnten dann aber von der Außenseite in das Innere der Dosen gelangen.

Welche Risiken sind bekannt?

»Belastete Produkte einmal zu essen, ist unproblematisch. Auf Dauer ist es aber ein Risiko«, fassen die Testerinnen und Tester zusammen. Ab welcher Menge BPA schädlich ist – darüber sind sich Fachleute aber uneinig. So gehen die Richtwerte, die Behörden ansetzen, um das Gesundheitsrisiko von Bisphenol-A-Gehalten in Lebensmitteln einzuordnen, auseinander.

Im vergangenen Jahr bewerteten die zuständigen Behörden das Risiko neu. Der derzeitige Richtwert des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) liegt um das Tausendfache höher als der Richtwert der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Gemäß dem niedrigeren und damit strengeren Efsa-Richtwert sind alle 51 Produkte, in denen die Stiftung Warentest Bisphenol A nachweisen konnte, stark belastet. Nach dem höheren BfR-Wert sind Stiftung Warentest zufolge 14 Produkte aus der Untersuchung deutlich bis stark belastet.

Laut BfR hat die Substanz eine geringe akute Giftigkeit – bei einer langfristigen Aufnahme bei Tierversuchen seien allerdings zahlreiche Effekte aufgetreten.

Sollte ich besser keine Dosenkost mehr essen?

Kommt darauf an, was man isst und wie viel davon. Dem Test zufolge sind Suppen und Eintöpfe verhältnismäßig besonders belastet. Das Problem dabei: Von ihnen werden meist direkt größere Portionen gegessen, sodass bei belasteten Produkten auch umso mehr Bisphenol A zu sich genommen wird. Auch eine vegane Thunfisch-Alternative sei negativ aufgefallen.

Dafür sind Tomaten und Mischgemüse tendenziell weniger belastet, so die Warentester. In sechs Kondensmilch-Produkten in der Untersuchung ließ sich kein BPA finden, auch eine Dose mit Erbsen und Möhren war gänzlich unbelastet.

Dennoch rät die Stiftung Warentest: »Wer sein Gesundheitsrisiko senken will, sollte weniger Dosenware essen«. Der Tipp der Tester: Lebensmittel nicht in Dosen, sondern in Gläsern, Kartons oder als Tiefkühlware kaufen. Oder gleich frisch zubereiten. Zudem könnten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf auf den Hinweis »Bisphenol-frei« achten. Bei dieser Kenn­zeichnung sind laut BfR keine Bisphenole erlaubt.

Das BfR sieht es nicht ganz so dramatisch. Auf Anfrage des SPIEGEL betont es, dass die von der Stiftung Warentest ermittelten Werte bei keinem der untersuchten Produkte über den verträglichen Grenzwerten seien, wenn sie nicht über Maßen konsumiert werden. »Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind durch den Verzehr der untersuchten Dosenlebensmittel nicht zu erwarten«, heißt es dort.

Was muss man sonst noch zu Bisphenol A wissen?

BPA bleibt Bestandteil vieler Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens, kürzlich wurden etwa Pixi-Kinderbücher wegen Rückständen des Giftstoffes zurückgerufen. Ein toxikologisches Gutachten hatte das gesundheitliche Risiko jedoch als gering eingestuft.

Über ein Verbot von Bisphenol-A-Lebensmittelverpackungen wird derzeit auf EU-Ebene beraten. In Frankreich und Dänemark ist Bisphenol A bereits seit Langem verboten, ebenso in Kanada, Australien und in mehreren US-Bundesstaaten. In Kassenbon-Papier etwa ist die Chemikalie bereits verboten, auch für Babyfläschchen gelten Verbote.

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