PRIONENERKRANKUNG : NACHGEFRAGT: "SIND ZOMBIE-HIRSCHE FüR UNS GEFäHRLICH, FRAU DR. FAST?"

In Amerika sterben Hirsche an der Chronic Wasting Disease (CWD). Seit auch zwei Jäger zu Tode kamen, steht die Frage im Raum, wie groß die Gefahr für den Mensch ist. Eine Veterinärpathologin vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit gibt Auskunft 

GEO: Hirsche in Amerika sind an der Chronic Wasting Disease erkrankt. Was für eine Krankheit ist das?

Dr. Christine Fast: Die Chronic Wasting Disease (CWD) ist in Nordamerika bereits seit 1967 bekannt und zählt zu den sogenannten Prionenfehlfaltungskrankheiten (genauer zur Gruppe der Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien). Das infektiöse "Prion-Protein", ein Eiweiß, ist dabei fehlgefaltet und treibt das Krankheitsgeschehen. Diese infektiösen und übertragbaren Eiweiße können, ähnlich wie Bakterien oder Viren, verschiedene Spezies krank machen. BSE beim Rind und Scrapie beim Schaf sind die bekanntesten Vertreter der Gruppe. Das degenerierte Eiweiß zwingt seine fehlgefaltete Struktur dem normalen körpereigenen Protein auf und immer mehr Prionen falten sich vergleichbar einer Kettenreaktion um. Dies führt dazu, dass sich Gehirn und Rückenmark schwammartig auflösen und zersetzen. Die Krankheit verläuft immer tödlich, da die Eiweißstruktur sehr stabil ist und weder vom Körper abgebaut noch durch Medikamentengabe zerstört werden kann. 

Welche Symptome der Erkrankung führen dazu, dass man in den USA von Zombie-Hirschen spricht?

Ich kann die Entstehung des Begriffs aufgrund der Symptome nachvollziehen Die Tiere magern ab und zehren regelrecht aus, daher sprechen wir auch von "Chronic Wasting" – für chronische Auszehrung. Die Tiere haben dabei durchaus noch Appetit und versuchen noch zu fressen, aber es kommt nichts mehr im Magen an, das Futter fällt ihnen aus dem Maul. Sie bekommen einen ungleichmäßigen Gang, was typisch für eine neurologische Erkrankung ist. Im Fach sprechen wir von einer Ataxie. Auch das lässt an Zombies denken. Erkrankte Tiere verlieren zudem die Scheu vor Menschen und sondern sich von der Herde ab. Auch diese Verhaltensänderung basiert auf den pathologischen Veränderungen im Gehirn. 

Auf welche Weise stecken sich die Tiere mit CWD an?

Die Chronic Wasting Disease ist hochinfektiös. Die Tiere nehmen den Erreger oral auf, beispielsweise über die Nahrung, den Boden, über Speichel, Nachgeburten, Kot oder Samenflüssigkeit. Sogar im Geweihbast von Wild ist der Erreger nachweisbar: In Amerika konnte gezeigt werden, das 300 Nanogramm Speichel eines infizierten Tieres ausreichen, um einen Hirsch anzustecken. Die Inkubationszeit dauert 13 Monate und länger. 

Ist das Risiko einer Ausbreitung und Verschleppung über Reisen sehr hoch?

Am Friedrich-Loeffler-Institut warnen wir davor: Die Krankheit ist bereits in norwegischen Rentieren nachgewiesen, weswegen wir davon abraten, von Jagdreisen ungetestete Trophäen und andere Tierteile nach Deutschland zu importieren. Glücklicherweise gibt es in Norwegen sehr strenge Testauflagen. Die Ausbreitung in Nordamerika zeigt, dass sich die Erkrankung dort massiv ausweitet, inzwischen sind bereits 33 US-Bundesstaaten betroffen, sowie fünf kanadische Provinzen. CWD bedroht inzwischen auch die nördlichen Karibu-Populationen. Die Verschleppung und Ausbrüche gehen dabei häufig vom Menschen aus, der Tiere aus betroffenen Regionen importierte. Sogar kontaminierte Kleidung kann CWD an unerwünschte Orte tragen. 

Wie wahrscheinlich ist eine Gefahr für Wild und Mensch in Deutschland?

In Norwegen beobachten wir seit 2016 eine infektiöse Variante von CWD in Rentieren. Die natürliche Ausbreitung nach Mitteleuropa wird vermutlich Jahrzehnte dauern, allerdings wird sie auf eine voll empfängliche Population von Rehen und Hirschen treffen. Die aktuelle Gefahr sehe ich primär in menschlichem Fehlverhalten, so sind Importe infizierter Tiere ein großer Treiber der Erkrankung in Nordamerika. 

Was die Gefahr für Menschen angeht: Die sogenannte Speziesbarriere, also die Übertragung vom Tier auf den Menschen, scheint bei der Krankheit CWD sehr hoch zu sein. Wir können eine Übertragung jedoch nicht mit aller letzter Sicherheit ausschließen, das Risiko wird aktuell jedoch als äußerst gering angesehen. Grundsätzlich würde ich jedoch immer raten, kein ungetestetes Hirschfleisch in CWD-Gebieten Nordamerikas zu essen. Aber im Moment gibt es meines Wissens keinen wissenschaftlichen Hinweis, dass die beiden Jäger in den USA tatsächlich an CWD gestorben sind und nicht an einer sporadischen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, die in der Altersgruppe ebenfalls vorkommt. 

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