NIKOTINSUCHT: WIE MAN WIRKLICH MIT DEM RAUCHEN AUFHöRT – DAS SAGT DIE WISSENSCHAFT

Mit dem Rauchen aufhören – das klingt leichter, als es ist. Dabei wissen die meisten längst, wie gesundheitsschädlich Zigaretten sind. Eine neue Überblicksstudie zeigt nun, welche Methoden wirklich dabei helfen, von den Glimmstängeln loszukommen. Insbesondere ein Mittel überrascht

Obwohl die Zahl der Rauchenden seit Jahren zurückgeht und Qualmen ein schlechtes Image hat, sind Zigaretten immer noch das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Die meisten Raucher dürften sich der Gefahren bewusst sein, und doch kommen viele nicht von den Glimmstängeln los. Aus verständlichen Gründen, denn Zigaretten machen stark abhängig. Mittlerweile gibt es aber eine Reihe von Wirkstoffen und Methoden, die das Aufhören erwiesenermaßen erleichtern.

Die "Cochrane Addiction Group", ein Netzwerk unabhängiger Wissenschaftler, veröffentlicht regelmäßig Reviews, in denen Studien zu einzelnen Entwöhnungsmethoden zusammengefasst werden. Nun ist im Fachblatt "Addiction" ein umfassender Überblick erschienen, der wiederum die Cochrane-Reviews der vergangenen Jahre berücksichtigt und die einzelnen Methoden miteinander vergleicht.

Im Vergleich aller Studien stechen drei Mittel heraus

Bei der Sichtung aller Cochrane-Studien kam heraus, dass drei Mittel zur Entwöhnung besonders wirksam sind:

  • Vareniclin: Der Wirkstoff (Handelsname "Vardenafil") besetzt die Nikotinrezeptoren im Gehirn. Im Vergleich zu Nikotin sorgt er für eine etwas geringere Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin und beugt so Entzugssymptomen vor. Zugleich ist man während der zwölf- bis 24-wöchigen Einnahme gegen Nikotin weitgehend immun. Heißt: Rauchen erzeugt keine Dopaminausschüttung mehr und ist dadurch weniger befriedigend. Das Aufhören mit Vareniclin ist Studien zufolge nahezu doppelt so effektiv wie mit dem alternativen Wirkstoff Bupropion (siehe unten). Häufige Nebenwirkungen sind unter anderem Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. Selten kommt es zu Suizidgedanken. Daher ist eine gründliche Anamnese geboten.
  • Cytisin: Das pflanzliche Alkaloid ist in Deutschland erst seit wenigen Jahren zugelassen. Es wird aus den Samen des Goldregens gewonnen, einer Giftpflanze. Erste Studien deuten darauf hin, dass seine Wirkung mit der von Vareniclin vergleichbar ist. Die Nebenwirkungen sind jedoch weniger schwerwiegend, und es wird nur über 25 Tage eingenommen. In Deutschland ist es unter dem Handelsnamen "Asmoken" erhältlich. Spätestens ab dem fünften Anwendungstag sollte man keine Zigaretten oder Nikotin mehr konsumieren, da sonst die folgenden Nebenwirkungen verstärkt auftreten können: Magen-Darm-Beschwerden, Stimmungsschwankungen, Appetitveränderung, Bluthochdruck, beschleunigter Puls, Ausschlag, Benommenheit, Muskelschmerzen. Falls Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes bestehen, sind Nutzen und Risiken gründlich mit einem Arzt abzuwägen.
  • E-Zigaretten: Viele Rauchende steigen auf nikotinhaltige E-Zigaretten um, weil diese nach derzeitigen Erkenntnissen wahrscheinlich weniger gesundheitsschädlich sind als Tabak. Letztlich ersetzen sie damit nur ein Suchtmittel durch ein anderes, könnte man meinen. Doch es gibt einen überraschenden Nebeneffekt: Laut der Cochrane-Auswertung stellt fast die Hälfte der Probanden in Studien das Rauchen nach dem Umstieg auf E-Zigaretten binnen sechs Monaten ein. Damit können die batteriebetriebenen Nikotinverdampfer tatsächlich ein hilfreiches Mittel sein, um ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Da E-Zigaretten noch ein relativ junges Phänomen sind, ist die Forschung hierzu noch im Gange. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann sich in einem Podcast der Universität Oxford (in englischer Sprache) monatlich über die neuesten Studien informieren lassen.

Mit dem Rauchen aufhören: Eine Verhaltenstherapie hilft in jedem Fall

Ebenfalls wirksam, auch wenn sie im Vergleich nicht ganz so gut abschneiden, sind:

  • Nikotinersatzprodukte: Pflaster, Kaugummis, Lutschtabletten, Inhalatoren oder Nasensprays mit Nikotin federn die körperlichen Entzugserscheinungen ab. Durch die Kombination verschiedener Produkte (z. B. Pflaster und Kaugummis) ließ sich in Studien sogar eine vergleichbare Wirksamkeit wie mit Vareniclin erreichen. Die Präparate muss man, wie andere Mittel zur Rauchentwöhnung, selbst zahlen.
  • Bupropion: Das Antidepressivum hilft nicht nur gegen Niedergeschlagenheit, es verringert auch Entzugserscheinungen. Die Behandlung dauert mindestens sechs Wochen, wobei in der ersten Woche normal weitergeraucht werden kann. Als seltene Nebenwirkungen können psychische Störungen, Depression und Angstzustände bis hin zu Suizidgedanken auftreten. Daher sollte zuvor eine sorgfältige Anamnese erfolgen.
  • Verhaltenstherapie: Eine Verhaltenstherapie ist immer sinnvoll, auch in Kombination mit einem der genannten Wirkstoffe. Rauchen ist vor allem auch eine Gewohnheit. Nicht umsonst spricht man von "Entwöhnung". Allein der Akt, eine Schachtel zu öffnen, sich mehrmals täglich eine Zigarette anzuzünden und immer wieder daran zu saugen, vernetzt Schaltkreise im Gehirn, die eine Routine, einen Automatismus etablieren. Die Forschung zeigt: Routinen vermitteln Stabilität und Kontrolle, sie stärken die Selbstwirksamkeit und das Wohlbefinden. Deshalb fällt es so schwer, sie aufzugeben, selbst wenn sie uns letztlich schaden. In der Verhaltenstherapie lernen Betroffene, die Gründe für ihr Suchtverhalten zu verstehen und zu überwinden. Unter der Nummer 0800/8313131 gibt es Infos zu Therapieplätzen. Krankenkassen übernehmen die Kosten anteilig.
  • Radikaler Entzug: Auch wenn schon viele daran gescheitert sind, der Entschluss "Jetzt höre ich auf!" kann mitunter tatsächlich zum Erfolg führen. Damit das Vorhaben gelingt, hilft es, sich vorzubereiten: Legen Sie ein Datum fest, an dem Sie aufhören wollen. Entfernen Sie zuvor Rauchgeruch aus Kleidung und Wohnung, ebenso alle Zigaretten. Meiden Sie für eine Weile qualmende Bekannte, Kneipen, alles, was Sie mit dem Rauchen verbinden. In den ersten 48 Stunden sind die Entzugssymptome am stärksten. Planen Sie für diese Zeit etwas Schönes ein, etwa eine Reise. Laufen, Radfahren und Schwimmen erzeugen Glücksgefühle und lindern Symptome. Ernähren Sie sich gesund, um dem Stoffwechsel die Umstellung zu erleichtern und Übergewicht vorzubeugen. Und halten Sie durch. Nach zwei bis drei Wochen lässt das Verlangen deutlich nach.

Rauchstopp: Die Wirkung so mancher Methode ist noch unklar

Daneben gibt es noch Methoden, die nicht Teil der Überblicksstudie waren und deren Wirkung umstritten ist:

  • Akupunktur und -pressur: Bei diesen traditionellen chinesischen Heilmethoden werden energetische Punkte unter der Haut mit Nadeln oder durch Drücken stimuliert. Dies soll Entzugserscheinungen lindern. Studien zufolge können die Methoden zwar helfen, aber die Wirkung geht nicht über den Placeboeffekt hinaus. Positiv gewendet bedeutet das: Da sie bis auf ihre Kosten praktisch keine Nebenwirkungen haben, sind sie geeignet, um sich den Placeboeffekt beim Aufhören zunutze zu machen.
  • Hypnose: Ein Therapeut versetzt die betreffende Person in Trance und suggeriert ihr negative Bilder zum Rauchen, zum Beispiel das Gefühl von Asche im Mund. Das Nichtrauchen wird positiv assoziiert. Viele Kliniken setzen diese Methode in Kombination mit anderen Verfahren erfolgreich ein, aber bislang ist lediglich eine Placebowirkung belegt.

  • Mecamylamin: Der Blutdrucksenker verringert den Blutdruck und blockiert die Nikotinrezeptoren. In hohen Dosen könnte er bei der Rauchentwöhnung helfen. Jedoch kommt es oft zu starken Nebenwirkungen wie Benommenheit und niedrigem Blutdruck. Die Studienlage ist für eine Empfehlung ungenügend.

Ganz am Ende ziehen die Forschenden noch ein ermutigendes Fazit: Aufhören lohnt sich! Der Verzicht aufs Rauchen verbessert nicht nur den Zustand des Herz-Kreislauf-Systems – sondern auch die mentale Gesundheit.

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