LONG COVID: „NUR WENIG AUSSICHT AUF HEILUNG“

Gesundheitsminister Lauterbach trifft sich erneut mit Long-Covid-Betroffenen und Experten. Dabei wird klar, warum sich viele Erkrankte alleingelassen fühlen.

„Nur wenig Aussicht auf Heilung“

Karl Lauterbach braucht eine ganze Weile, bis er einmal um den großen Tisch im Konferenzzentrum seines Ministeriums gelaufen ist. Fast allen der 40 Gäste schüttelt der Bundesgesundheitsminister die Hand, ein paar wenige lehnen ab – aus gesundheitlichen Gründen. Es ist das vierte Mal, dass Lauterbach Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Krankenkassen und Patientinnen zum „Runden Tisch Long Covid“ eingeladen hat. Sie sollen darüber beraten, wie die Versorgungssituation der Long-Covid-Patientinnen und -Patienten in Deutschland verbessert werden kann.

Die Zahl der Betroffenen wächst. Schätzungen gehen davon aus, dass mittlerweile deutlich über eine Million Menschen in Deutschland an Long Covid erkrankt sind. Der Begriff umfasst Symptome, die sich über eine akute Krankheitsphase von vier Wochen hinaus erstrecken. Meistens geht es dabei um Atem- und Kreislaufbeschwerden, kognitive Beeinträchtigungen und eine Belastungsintoleranz oder sogenannte „Fatigue“.

Die Forschung läuft erst jetzt an

Bisher gebe es „nur wenig Aussicht auf Heilung“, so fasst es Lauterbach gleich zu Beginn zusammen. Etwa 70 Prozent der Erkrankten seien Frauen, häufig noch unter 40. Das Krankheitsbild sei wahrscheinlich „eines der schlimmsten Gesundheitsrisiken für junge Frauen überhaupt“, warnt der Gesundheitsminister.

Die Forschung zu der Krankheit läuft gerade erst an. Insgesamt sind mittlerweile 150 Millionen Euro an Forschungsgeldern ausgeschrieben. Die ersten Projektförderungen sollen im November beginnen. Etwa ein Drittel der Gelder ist dabei explizit für die Forschung zu Long Covid bei Kindern und Jugendlichen bestimmt.

Als es schließlich um die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse geht, diskutiert Lauterbach, selbst Mediziner, angeregt mit den anwesenden Wissenschaftlern. Bis ihn die Vertreterinnen der Betroffenen wieder in die politische Realität zurückholen.

Die zwei Probleme, die sie am häufigsten schildern: Der Grad der Pflegebedürftigkeit von Long-Covid-Kranken werde häufig zu gering eingestuft, da es noch keine geeigneten Kriterien gebe. Für die Angehörigen entstünden so enorme Belastungen. Und dann seien da noch die Erfahrungen vieler Betroffener in den Hausarztpraxen: „Es ist eine Ausnahme, dass der Behandelnde sich mit Long Covid auskennt, und es ernst nimmt“, sagt Johanna Theobald vom Verband Long Covid Deutschland.

Im Dezember 2023 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss der gesetzlichen Krankenkassen (GBA) deshalb eine Richtline zur Behandlung von Long Covid herausgegeben. Während dieses Wissen aber offenbar nur langsam bei den Hausärzten ankommt, geraten die Spezialisten an ihre Grenzen. „Wir haben sehr lange Wartelisten und sind kaum in der Lage, die Patientinnen und Patienten weiter zu betreuen“, erzählt Carmen Scheibenbogen, die in Berlin eine der wenigen Spezialambulanzen leitet. Und dann sei da noch eine Gruppe, von der selbst sie bisher viel zu wenig wisse: Die „Schwersterkrankten“, die es nicht mal mehr schaffen, den Weg in die Hausarztpraxis auf sich zu nehmen, geschweige denn den nach Berlin.

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