BORRELIOSE: "EIN BLUTTEST ZEIGT AUCH NACH JAHREN NOCH EINE AKTIVE INFEKTION"

Warum hinter starken Rückenschmerzen auch ein Zeckenbiss stecken kann und Borrelien nicht unbedingt zu lebenslangen Beschwerden führen müssen.

Landkreis Meißen. Ein Zeckenbiss kann ernste Folgen haben, von Borreliose bis zur Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME. Welche Risiken die Krankheiten mit sich bringen und wie die Heilungschancen stehen, erklärt Dr. med. Helen Hanso im Interview mit Sächsische.de. Sie ist Leitende Oberärztin an der Klinik für Neurologie und Geriatrie am Elblandklinikum Meißen.

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Frau Dr. Hanso, in diesem Jahr sind bislang vier FSME-Fälle im Landkreis Meißen gemeldet worden - so viel wie noch nie in den vergangenen Jahren. Bemerken Sie davon auch etwas am Elblandklinikum?

Die FSME ist extrem selten. In zehn Jahren hatten wir zwei Fälle hier in Meißen. Dabei testen wir schon alle Hirnhautentzündungen, sobald es saisonal passt. Dazu muss man wissen, dass es sowohl virale als auch bakterielle Hirnhautentzündungen gibt. Vor allem die von Viren hervorgerufene Erkrankung sehen wir relativ häufig. Sie kann auch von Magen-Darm-Viren hervorgerufen werden. Da gibt es ein bis zwei Fälle pro Monat.

Schaut man sich die Zahlen an, dann ist FSME selten, im Vergleich zur Borreliose …

Sie kann allerdings schwere Krankheitsbilder hervorrufen, bis zu einer bleibenden Behinderung. Den Krankheitsverlauf können wir nicht vorhersagen. Und FSME ist schwer zu behandeln. Im Grunde muss sie auskuriert werden, wie eine schwere Grippe.

Also vor allem, indem man sich ausruht?

Ganz genau. Uns erreichen auch nicht alle Fälle, weil viele Patienten auch beim Hausarzt versorgt werden.

Etwas größer erscheint das Risiko mit Blick auf eine Borreliose.

Diese sehen wir tatsächlich häufiger. Aber auch da gilt: In der Regel reicht der Hausarzt, wenn sich nach einem Zeckenstich die sogenannte Wanderröte zeigt. Er behandelt dann mit einem Antibiotikum, das man über zwei Wochen einnehmen muss.

Wie groß sind denn dann die Behandlungschancen?

In unseren Breiten gibt es keine Resistenzen gegen das Antibiotikum. Nach den zwei Wochen ist man eigentlich sicher. Das Mittel wird mäßig gut vertragen, häufige Nebenwirkungen sind Sonnenempfindlichkeit und Magen-Darm-Beschwerden. Es wird deshalb nicht einfach auf Verdacht verschrieben.

Was passiert, wenn die Betroffenen die Infektion zu spät beobachten?

Das ist eine häufige Angst, die Chronifizierung der Borrelien – also die Ausbreitung und der Angriff auf Organsysteme. Wir haben geschätzte fünf Fälle im Jahr. Da gibt es zwei Erscheinungsbilder, die wenige Wochen oder Monate nach der Wanderröte auftreten. Bei etwa zehn Prozent der Betroffenen treten Gesichtsnervlähmungen auf. Häufiger sind die Nervenwurzeln entzündet. Das kann überall am Körper sein und verursacht massive Schmerzen mit Lähmungserscheinungen. Manchmal kommen Patienten mit einem vermeintlichen Bandscheibenvorfall ans Wirbelsäulenzentrum der Elblandkliniken – da haben wir auch schon Fälle von Borreliose rausgezogen.

Wie klären Sie denn in so einem Fall ab, ob Borrelien die Ursache sind?

So etwas sieht man nicht im MRT. Aber über das Hirnwasser können wir das sehr sicher nachweisen. Das klingt schlimmer, als es ist: Über die Lendenwirbelsäule wird eine Probe entnommen. Das ist ähnlich unkompliziert wie Blut abnehmen, eine Sache von zehn Minuten. Übrigens funktioniert ein Nachweis über das Blut nicht zuverlässig: Ein Bluttest zeigt auch nach Jahren eine aktive Infektion, obwohl diese womöglich schon längere Zeit her ist.

Wie groß sind denn die Heilungschancen, wenn Borrelien nachgewiesen wurden?

Wenn die Nervenwurzeln entzündet sind, lässt sich das meist gut antibiotisch behandeln - bis dahin, dass alle Beschwerden verschwinden. Das kann aber dauern. Das ist ein großer Unterschied etwa zum Schlaganfall: Die Nervenzellen sterben nicht direkt ab, sie leben weiter. Die Borrelien sitzen auch nicht direkt an den Nervenzellen, sondern am "Kabel", das rausgeht.

Frau Dr. Hanso, vielen Dank für das Gespräch!

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