ABNEHMSPRITZE: STUDIE ZEIGT WIRKUNG BEI KINDERN

Adipöse Kinder haben aktuell nur eine Möglichkeit, ihr Gewicht zu reduzieren: ihren Lebensstil ändern. Womöglich könnten Medikamente einmal dabei unterstützen, doch noch ist vieles unklar.

Starkes Übergewicht ist auch bei vielen Kindern schon ein großes Problem – umso mehr, da fettleibige Kinder sehr oft adipöse Erwachsene werden. Für Erwachsene gibt es inzwischen etwa Abnehmspritzen, die helfen können.

Einer Studie zufolge könnte zumindest der Wirkstoff Liraglutid des dänischen Herstellers Novo Nordisk auch bei Kindern effektiv wirken. Im Rahmen der Untersuchung führte eine entsprechende Behandlung neben Beratungen zum Lebensstil zu einer stärkeren Senkung des BMI als bei einer Kontrollgruppe, die nur Beratungen erhielt. Die Untersuchung wurde vom Hersteller finanziert.

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Bisher stehe für die Altersgruppe als Methode ausschließlich eine Lebensstilveränderung im Rahmen einer Familienschulung zur Verfügung, sagte Daniel Weghuber vom Uniklinikum Salzburg, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. »Das ist leicht gesagt, aber sehr schwierig umzusetzen.« Insofern könne die Verwendung von Liraglutid gerade bei Kindern mit einer extremen Form von Adipositas ein wesentlicher ergänzender Schritt sein.

Langzeitfolgen unklar

Wie bei Jugendlichen und Erwachsenen stelle sich aber die Frage, inwiefern die Substanz für eine langfristige Therapie geeignet und sicher sei. Bekannt sei bisher nur, dass es bei einem Absetzen des Mittels beim überwiegenden Teil der Betroffenen wieder zu einer Gewichtszunahme komme.

Liraglutid muss also nach derzeitigem Kenntnisstand langfristig über Jahrzehnte genommen werden. Was für Langzeitfolgen das haben könnte, ist bisher unklar, weil dieses und ähnliche Mittel noch nicht lange genug im Einsatz sind.

Auch Nerys Astbury von der University of Oxford – ebenfalls nicht an der Studie beteiligt – gibt zu bedenken: »Obwohl es keine Hinweise darauf gab, dass sich Liraglutid nachteilig auf Veränderungen der Körpergröße, des Knochenalters oder des Pubertätsstatus auswirkte, sind weitere längerfristige Nachuntersuchungen der Teilnehmer und ihrer Wachstumsmuster erforderlich.«

Studie mit 82 Kindern

Die neue Studie, die im Fachjournal »New England Journal of Medicine« vorgestellt wurde, lief über einen Zeitraum von 56 Wochen. Darin einbezogen wurden 82 stark adipöse Kinder in den USA im Alter von sechs bis zwölf Jahren. 56 von ihnen erhielten eine tägliche Injektion mit Liraglutid (Markenname »Saxenda«), 26 Placebo-Spritzen. Alle Teilnehmenden seien zudem individuell zu gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität beraten worden, schreiben die Forschenden um Claudia Fox von der University of Minnesota in Minneapolis.

Der durchschnittliche BMI verringerte sich bei den Kindern aus der Liraglutid-Gruppe etwas, in der Testgruppe nahm er leicht zu. Generell legten alle Kinder laut der Studie im Zuge ihres Wachstums an Gewicht zu: die in der Placebogruppe um zehn Prozent des Ausgangsgewichts, die Kinder in der Liraglutid-Gruppe nur 1,6 Prozent.

Einnahme wegen Nebenwirkungen abgebrochen

Die beobachteten Nebenwirkungen entsprachen denen, die zuvor in Analysen mit Jugendlichen und Erwachsenen beobachtet wurden, wie es in der Studie weiter heißt. Häufig waren das Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Knapp elf Prozent der Kinder, die Liraglutid erhielten, brachen die Einnahme aufgrund der Nebenwirkungen ab.

Martin Wabitsch vom Universitätsklinikum Ulm ist der Ansicht, dass das Medikament künftig vor allem für Kinder mit extremer Adipositas infrage kommt – »und sicher nicht für alle Kinder mit Adipositas«. Diese kleine Gruppe von Patientinnen und Patienten sei durch eine starke biologische Anlage für Adipositas charakterisiert. Kennzeichnend sei ein Defekt der zentralen Regulation von Hunger und Sättigung. »Genau hier setzt Liraglutid an.«

Hemmt den Appetit

Liraglutid ist ein sogenannter Glucagon-like-Peptid-1-(GLP-1)-Rezeptoragonist. Es bindet an den GLP-1-Rezeptor. Dadurch wird unter anderem der Appetit gehemmt. Für Jugendliche und Erwachsene ist der Wirkstoff zur Behandlung von Diabetes und Übergewicht auch in Europa zugelassen.

Nachfolgemittel aus der gleichen Substanzgruppe wie Semaglutid (Markenname »Wegovy«) von Novo Nordisk und Tirzepatid (»Mounjaro«) von Eli Lilly haben Studien zufolge eine bessere Wirkung, zudem müssen sie nicht täglich gespritzt werden. Studien zur Verträglichkeit und Wirksamkeit dieser beiden Wirkstoffe bei Kindern gibt es bisher noch nicht.

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