ERDBEER-VERKäUFERIN PACKT üBER DIE NERVIGSTEN SEITEN DES JOBS AUS

Erdbeeren sind toll – eine nicht wirklich steile These. Im Gegensatz zu anderen Obstsorten gibt es bei Erdbeeren kaum einen Menschen, der eine tatsächliche Abneigung verspürt. In zahlreichen Bangern der internationalen Popkultur geben auch bekannte Persönlichkeiten ihre Liebe zu den roten Früchten bekannt – man denke etwa an die Beatles oder auch Henning May.

Diese im wahrsten Sinne rosarote Brille trug auch ich lange und sie brachte mich mit 16 Jahren dazu, meinen allerersten Minijob in einem Erdbeerstand in einem Städtchen an der Ostsee anzunehmen. Jahre später brachte mich eine gewisse finanzielle Schieflage nach dem ersten Corona-Lockdown noch einmal dazu, den Duft frischer Erdbeeren zu meinem vorübergehenden Lohn und Brot zu machen.

Eingehüllt in eine grasgrüne Schürze mit passendem Erdbeer-Emblem darauf verbrachte ich somit zwei Sommer lang auf gut einem Quadratmeter Stand, der – wie sollte es anders sein – ebenfalls in Form einer überdimensionierten Erdbeere daher kam. Ein Kapitel meines Lebens, das nicht zu den aufregendsten, aber doch zu jenen gehört, die auf Partys immer wieder für einen Lacher gut sind.

Hier ein paar ehrliche Antworten auf Fragen, die mir schon oft gestellt wurden und die wohl so manchen durch den Kopf schwirren, die im Sommer an den roten Häuschen vorbeischlendern, die es in vielen deutschen Innenstädten gibt.

Darf man als Verkäufer immer Erdbeeren naschen?

Umgeben von kiloweise Erdbeeren scheint es nahezu unmöglich, nicht alle zehn Minuten eine davon in den eigenen Mund wandern zu lassen. Offiziell ist das aber nicht erlaubt. Auch als Verkäufer:in muss man die Erdbeeren bezahlen – und nicht bei jedem Unternehmen gibt es Rabatt für Mitarbeitende.

"Einen solchen Heißhunger wie im Erdbeerstand habe ich danach wohl nie wieder verspürt."

Tatsächlich verliert man mit der Zeit aber auch einfach die Lust, sich dauerhaft nur von Fruchtzucker zu ernähren. Mein Stand war eine Zeit lang direkt neben einem Verkaufsstand für knusprige Hähnchenkeulen gelegen – einen solchen Heißhunger wie in diesem Erdbeerstand habe ich danach wohl nie wieder verspürt.

Hinzu kommt, dass man sich als Verkäufer:in vor allem in Corona-Zeiten dauerhaft die Hände mit Desinfektionsmittel einreiben musste. Zwar mag Erdbeerbowle ein leckeres Sommergetränk sein, doch Alkohol in Form von Sagrotan ist für Erdbeeren wirklich keine gute Kombi.

Fakt ist aber doch: Die Tätigkeit im Erdbeer-Häuschen besteht zum Großteil daraus, die einzelnen Körbchen abzuwiegen und die Füllmenge zu kontrollieren.Wenn da eine 500-Gramm-Schale mal 550 Gramm auf die Waage gebracht hat, gehört es quasi zum Erdbeer-Codex, mal zu naschen und die Qualität ebenso zu prüfen wie das Gewicht.

Liegen die guten Erdbeeren immer oben?

Wenn Kund:innen einen beim Naschen erwischen, sind die Blicke allerdings zum Teil alles andere als verständnisvoll. Andersherum sind die meisten Kund:innen besonders wählerisch, wenn es um den eigenen Korb geht.

"Geben Sie mir doch bitte die Schale mit den schönsten Erdbeeren", ist wohl einer der nervigsten Wünsche und doch der Satz, den ich im Erdbeerstand mit am häufigsten gehört habe.

Dazu gibt es einige Dinge zu sagen. Erstens: Schöne Erdbeeren sind nicht gleich leckere Erdbeeren. Dieser Fakt wurde von mir empirisch überprüft.

Zweitens: Es kann immer vorkommen, dass Erdbeeren am Boden der Schale im Laufe des Tages etwas zerdrücken und nicht mehr dem Schönheitsideal für Erdbeeren entsprechen. Das ist normal und damit müssen Kund:innen rechnen.

Kleiner Tipp, wenn du mal eine Schale mit einer großen Menge fauliger Erdbeeren gekauft hast: Erdbeer-Verkäufer:innen sind dazu angewiesen, eine Gratis-Schale auszugeben, falls sie eine solche Beschwerde erreicht.

Drittens: Zumindest zu den Stoßzeiten hat man im Stand nicht die Zeit, für alle Kund:innen eine individuell sortierte Schale zusammenzustellen. Auch wenn man der Frau im roten Erdbeershirt noch so "freundlich" erzählt, dass sie ja "noch süßer als die Erdbeeren" sei – für mich übrigens Top 1 der nervigsten Sätze.

Wie hart ist der Job im Erdbeer-Häuschen?

Abgesehen von diesen ungelenken Flirt-Versuchen, die aber wohl (leider) in jedem Service-Job für weibliche Personen dazugehören, gibt es deutlich schlimmere Jobs als den in einem Erdbeer-Häuschen.

Denn tatsächlich beschäftigt man sich nicht den ganzen Tag mit den roten Früchten, sondern hat je nach Standort vor allem eins: viel Zeit.

Außer in den frühen Morgenstunden und während der Erdbeer-Rushhour zum Feierabend hat man in den meisten Ständen nicht sonderlich viel zu tun. Vielleicht der Grund, warum etwa der Erdbeerhof Glantz den Job auf seiner Website vor allem für Rentner:innen, Studierende und – natürlich – "Hausfrauen" bewirbt.

Trotzdem darf man den Erdbeer-Stand während seiner gesamten Arbeitszeit theoretisch nicht verlassen. Das bedeutet, dass auch die Pausen nur innerhalb des Häuschens verbracht werden dürfen.

Das größte Problem daran: die Pinkel-Pausen. Logischerweise muss man dafür doch mal aus der roten Zone heraustreten, dafür gibt es auch ein Schild mit dem Verweis "Bin gleich zurück". Einerseits sind allerdings die verfügbaren Toiletten vor allem bei abgelegenen Ständen gar nicht mal so angenehm. Außerdem zeigen die wenigsten Kund:innen großes Verständnis für das natürliche Bedürfnis.

Was aber wirklich auch der Wahrheit entspricht ist, dass ich während meiner Tage im Erdbeer-Häuschen so viele Bücher gelesen habe, wie das sonst nur im Sommerurlaub der Fall ist. Während der Abizeit konnte ich hier sogar für meine Prüfungen lernen, wenn nicht gerade die kritischen Augen eines erdbeerliebenden Rentners auf mir ruhten.

Was den Verdienst angeht, gleichen sich die Unternehmen bei ihren Saisonarbeiter:innen an den gesetzlichen Mindestlohn an – der damals aber noch deutlich niedriger war.

Wenn man den Kund:innen das Gefühl gibt, ihnen tatsächlich die "schönste Schale" herausgesucht zu haben, gibt es mitunter noch ein Trinkgeld obendrauf. Dieses liegt aber deutlich unter dem, was man etwa in der Gastronomie bekommt. Pro Tag kam im Erdbeer-Häuschen meist ein Trinkgeld von insgesamt 10 bis 15 Euro zusammen.

Warum variieren die Erdbeer-Preise am Stand?

Der Grund für das vergleichsweise niedrige Trinkgeld dürfte auch die dritte Frage sein, die ebenfalls auf meiner Liste der nervigsten Äußerungen steht. Denn wie generell in Deutschland sind auch am Erdbeerstand die Lebensmittelpreise ein beliebtes Smalltalk-Thema.

"Warum sind die Erdbeeren denn in diesem Jahr so teuer?", ist daher nur eine Variante der Frage nach der Preispolitik hinter dem Erdbeer-Business. Die Antwort hingegen war und ist wahrscheinlich immer dieselbe: Ich mache die Preise nicht.

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Fakt ist zwar, dass sich die Preise auch an der jeweiligen Sorte und damit der Saisonalität von Erdbeeren orientieren. Zusätzlich spielen aber auch die Erntebedingungen, die wirtschaftliche Lage und natürlich, wie gewinnorientiert die Unternehmen sind, eine Rolle.

Aber wie bereits erwähnt: Auch wenn einige Stände auf einen Tagesumsatz von fast 1000 Euro kommen, erhalten die Verkäufer:innen nur Mindestlohn. Empfehlen würde ich den Job trotzdem – vor allem leidenschaftlichen Leseratten.

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